Bauernregeln

Gastromania

Rock’n’Roll und Rinderwahnsinn

Auf die Suche nach einem Exorzisten machte sich der Alzeyer Bauer Erick Lusk, als er 1987 dahinterkam, dass auf seinem Hof Elvis Presleys Geist spukt und seine Kühe verrückt macht. Die Songs des King of Rock’n’Roll, der einst seinen Wehrdienst in der Nähe von Alzey absolviert hatte, animierten das Vieh angeblich zu rhythmischem Schwanzwedeln; Augenzeugen wollen gar beobachtet haben, dass die Kühe Presleys Hit All Shook Up mitmuhten. Seit Auftreten der Erscheinung, so Erick Lusk, sei die Milchproduktion um 70 Prozent zurückgegangen.

Was man damals für blanken Unsinn hielt, wurde neun Jahre später quasi wissenschaftlich bestätigt: Eine Studie des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten ergab 1996 zweifelsfrei, dass Musik von Mozart Kühe munter mache und die Milchproduktion steigere. Bei Rhythmen der Rockband Kiss reagierten die Rindviecher verständlicherweise sauer.

Ob Kühe mehr Milch geben, wenn sie von den gefühlvollen Klängen einer Posaune beruhigt werden, wollte die Jazz-Band Ingenues bereits 1930 herausfinden. Nachdem sie in London, Kairo und Melbourne aufgetreten war, nutzte sie ein dreitägiges Engagement in Madison, um an einem wissenschaftlichen Experiment im Kuhstall der Universität von Wisconsin teilzunehmen. Die Kühe, so die Capital Times, waren jedoch zu überrascht vom ungewöhnlichen Genuss, um in der erwarteten Weise zu reagieren.

 

Siebzig Jahre später beschallten Psychologen der Universität von Leicester neun Wochen lang tausend Tiere und stellten schließlich fest, dass die Euter bei langsamer Musik durchschnittlich 0,73 Liter mehr Milch enthielten als bei einer Beschallung mit treibenden Beats. In der Hitparade der britischen Forscher verwiesen Lou Reeds Perfect Day, der Song Everybody Hurts von R.E.M. oder Beethovens Pastorale schnellere Titel wie Jamiroquais Space Cowboy oder Size of A Cow von Wonderstuff klar auf die Plätze.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam der britische Wissenschaftler Bryan Jones, der Hühnerzüchter befragte und so herausfand, dass die Berieselung mit Musik Hühner glücklicher, gesünder und legefreudiger mache. Knapp die Hälfte der Befragten berieselten ihre Hennen akustisch, vorzugsweise mit leichter Unterhaltungsmusik. Angeblich ziehtdas Federvieh Easy Listening der Oper, dem Jazz und vor allem Heavy Metal vor. Auf einem Hühnerzüchterkongress in Atlanta schränkte Jones 1999 allerdings ein, dass solche Aussagen möglicherweise eher den Musikgeschmack der Züchter als den der Hennen widerspiegelten.

Die fleischliche Qualität seiner 200 Säue führt aber auch Paul Thompson auf sanfte Klänge zurück. Thompson beschallt die Schweine mit Country Music – sehr zum Leidwesen seiner noblen Nachbarn, die sich davon belästigt fühlen.  „Dass Musik Schweine beruhigen soll, beleidigt unsere Intelligenz“, empörte sich der Manager eines Golfclubs und unterstellte dem Schweinezüchter, er wolle mit dem grässlichen Lärm nur den Bau weiterer Wohnhäuser verhindern. Thompson zeigte sich jedoch unbeeindruckt. Er züchte bereits seit 41 Jahren Schweine und lasse sich nicht von Hergelaufenen vorschreiben, wie er das zu machen habe: „Amerikaner haben gekämpft, sind gestorben, haben geblutet für ihre Rechte, und ich will verdammt sein, wenn ich auch nur eins davon aufgebe.“ 

Ananth Patwardhan, ein Bauer aus dem indischen Bundesstaat Karnataka, schwört dagegen auf Michael Jackson. Nachdem ihm Wildschweine jahrelang die Ernte aufgefressen hatten, beschallte er sein Feld mit den Songs des King of Pop, Rock & Soul. Erfolgreich: Die Wildschweine blieben fern und manchmal wurden damit sogar Artgenossen von Bubbles, Jacksons Affen, verschreckt.

Nicht nur die Songs von Michael Jackson halten Wildschweine davon ab, die ganze Ernte aufzufressen, sondern auch die von Britney Spears. Nachdem die Borstenviecher seine Maisfelder niedergetrampelt und mit ihren  Steckdosennasen gepflügt hatten, beschallte der Jäger Rudi Morgen die Felder mit Britneys Oops … I Did It Again und schlug so die Schweine in die Flucht. Sollten sie noch einmal seinen schönen Wald in einen Schweinestall verwandeln, will er noch härter zurückschlagen – mit Britneys Baby One More Time.

Auch in Südkorea dient Popmusik nicht nur der Unterhaltung. Dort wird der Rock’n’Roll bei der Insektenbekämpfung eingesetzt. In mehreren Experimenten will der Forscher Lee Han Joo nachgewiesen haben, dass Läuse allergisch gegen diesen Sound sind. Lee beschallte Pfirsichäume, die mit 30 Läusen bestückt waren, acht Tage lang mit Rockmusik. Resultat: Die Lauspopulation vermehrte sich lediglich um 100 Exemplare. Ein Kontrollversuch unter identischen Bedingungen, nur ohne Musik, erbrachte dagegen 450 Läuse. Die taz dichtete daraufhin voreilig:  „Rock’n’Roll macht impotent.“  Eine unzulässige Verallgemeinerung. Schließlich fand der Zoo von Philadelphia schon 1991 heraus, dass man bei der Züchtung von Maulwurfsratten deutlich bessere Ergebnisse erzielt, wenn man die Tierchen der Musik von Bruce Springsteen ausliefert.

 

Um Haie zur Fortpflanzung anzuregen, setzt das National Sea Life Centre im englischen Birmingham dagegen Songs von Barry White ein. Angeblich sorgen dessen Schmuse-Balladen Can’t Get Enough Of Your Love Babe und You’re The First, My Love, My Everything dafür, dass männliche Haie ihre Schüchternheit gegenüber ihren weiblichen Artgenossen ablegen.

Mit einem ungewöhnlichen Vorschlag machte auch John Carmen von sich reden. Im Showbiz-Branchenblatt Daily Variety schlug er vor, die Artist & Repertoire-Manager der Plattenfirmen zu entlassen und sie durch Schimpansen zu ersetzen. Affen, so Carmen, hätten eben ein ungebrocheneres Verhältnis zum Rock’n’Roll, bessere Tischmanieren und weniger Drogenprobleme.

Auszüge aus „Gastromania“ von Hollow Skai (217 Seiten, Euro 9,99), erhältlich in allen Online-Buchshops und Buchhandlungen oder bei www.bod.de

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