Mango statt Mao

Der Pfirsich der Tropen

Vom Symbol der chinesischen Kulturrevolution zum Standardobst eines jeden Büffets – die wechselhafte Geschichte der Mango-Frucht.

Mangos sind nach Zitrusfrüchten, Weintrauben, Bananen und Äpfeln die meistproduzierten Früchte der Welt. In den südlichen Randgebieten des Himalaya kennt man sie bereits seit sechstausend Jahren und Buddha selbst soll in einem Mangogarten geruht und diesen „Pfirsich der Tropen“ für seine Langlebigkeit, Kraft und Stärke gepriesen haben – weshalb Buddha-Statuen sehr oft eine Mango in der Hand halten.

Buddhistische Mönche führten sie in Malaysia ein und Missionare und Piraten auf den Philippinen. Portugiesische Seefahrer importierten sie im 16. Jahrhundert nach Afrika und Brasilien, von wo sie schließlich über Mexico nach Florida und Hawaii gelangten. Nur in China war die Frucht völlig unbekannt, bis der pakistanische Außenminister 1968 dem Großen Vorsitzenden Mao Zedong eine Kiste Mangos als Gastgeschenk mitbrachte.

Foto: Depositphotos

Nachdem er 30.000 Fabrikarbeiter nach Peking beordert hatte, um die chinesische Kulturrevolution und die von ihm selbst eingesetzten Roten Garden wieder unter Kontrolle zu bekommen, reichte Mao das Gastgeschenk schließlich an die Arbeitertrupps weiter, woraufhin die revolutionären Massen kollektiv in Ekstase verfielen und die bis dato in China unbekannte Frucht anhimmelten wie Mao persönlich. In der Zeitung Renmin Ribao der Kommunistischen Partei Chinas hieß es damals: „Menschen versammelten sich sofort um das Geschenk. Sie schrien begeistert und sangen voll wilder Leidenschaft. Tränen füllten ihre Augen, und wieder und wieder wünschten sie aufrichtig, dass unser allerliebster Großer Führer und Vorsitzender Mao 10.000 Jahre unbegrenzt leben möge, 10.000 Jahre und noch einmal 10.000 Jahre. Sie riefen ihre Arbeitsbrigaden an, um die frohe Kunde zu verbreiten; und sie organisierten alle Arten festlicher Aktivitäten die ganze Nacht hindurch.“

Hoch lebe Mango ... äh ... Mao! Chinesisches Propagandaplakat

Textilarbeiter verneigten sich vor einem Altar, auf dem die Frucht ausgestellt wurde, und jeder durfte einen Löffel Wasser probieren, in dem eine – mittlerweile etwas schimmelige – Mango schwamm. Fabriken ließen die Frucht in Formaldehyd konservieren und schon bald stand in praktisch jedem Haushalt ein Glasschrein mit einer Mango aus Wachs darin. Die Fake-Mangos wurden in Sonderzügen in alle Provinzen geschickt, wo sie von hunderttausenden Chinesen an den Bahnhöfen empfangen wurden. In der Provinz Guizhou kämpften, wie die BBC berichtete, tausende bewaffnete Bauern gegeneinander – um die Schwarzweiß-Fotokopie einer Mango. Und als ein Zahnarzt aus einem kleinen Dorf es wagte, eine Mango mit einer Süßkartoffel zu vergleichen, wurde er wegen bösartiger Verunglimpfung exekutiert.

Der Kommunistischen Partei Chinas kam der Mango-Kult gerade recht. Schon bald ließ sie Emaille-Geschirr und Waschschüsseln mit Mango-Aufdruck herstellen, Broschen mit Mango-Reliefs, Mango-Schminktische oder Seife mit Mangoduft, Mangozigaretten und Bettwäsche mit Mangobildern. So wurden die Mangos zum Symbol von Maos Gunst und dem Ende des von ihm selbst organisierten Terrors.

Maos Ehefrau, Jiang Qing, ließ 1975 sogar einen Film über die Frucht drehen – „Das Lied von der Mango“. Als er 1976 anlief, wurde Jiang jedoch als Mitglied der „Viererbande“ verhaftet, alle Filmkopien wurden konfisziert und der Obstkult ebbte schnell ab.

Am Siegeszug der Mango konnte all das aber nichts ändern. Heute liegt China mit fast 5 Mio. Tonnen jährlich auf Platz 2 der größten Mango-Produzenten. Und die exotische Frucht gehört längst zum Standardrepertoire der Fresh Factory und fehlt auf kaum einem Büffet.

Titelbild: Depositphotos

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