Komm doch mit auf den Underberg

Semper idem

Immer das Gleiche. So lautet das Firmenmotto von Underberg. In Rio de Janeiro heißt der Kräuterschnaps aber Brasilberg.

Als Paul Underberg 1932 mit dem Luftschiff Graf Zeppelin von Friedrichshafen nach Rio de Janeiro flog, sollte der Enkel des Firmengründers August Underberg, der den nach ihm benannten Magenbitter 1846 erfunden hatte, für den aufstrebenden Schnapskonzern neue Märkte erschließen. Kaum am Zuckerhut sesshaft geworden, eröffnete er ein Jahr später die erste Underberg-Fabrik in Südamerika. Die für die Produktion nötige Kräuteressenz musste er aber aus Deutschland importieren, weil die Rezeptur so geheim gehalten werden sollte wie die von Coca-Cola.
Als der Zweite Weltkrieg die Lieferkette unterbrach, begab sich
Paul Underberg auf eine Expedition ins Amazonasgebiet und fand dort Kräuter, mit denen er die deutsche Formel ersetzte. Nach dem Krieg hätte er die ursprüngliche Kräuteressenz wieder importieren können, doch da war es bereits zu spät. Der brasilianisierte Underberg hatte sich bereits eingebürgert, und so behielt er die neue Rezeptur bei – sehr zum Verdruß des deutschen Stammhauses.
Mithilfe der Werbefigur Senhor Tonico pries Underberg den Magenbitter sogar Pinguinen als Mittel gegen Erkältung an: „Ein Gläschen am Tag bringt Gesundheit und Freude.“ Und riet seinen Kunden, ihn mit Tonic Water, Soda, Guaraná oder Mate-Tee zu mixen und gut gekühlt zu trinken. Womit er der Zeit rund 60 Jahre voraus vor. Heute dient der Kräuterschnaps Barkeepern als Grundlage für Cocktails.

Foto: KarlMartell

Das deutsche Stammhaus machte aber nicht nur ein ziemliches Gewese um die Rezeptur, sondern auch um die Abfüllung. Wird der Kräuterschnaps hierzulande noch immer in Flachmännern verkauft und in Packpapier eingewickelt, füllte Paul Underberg ihn in Ein-Liter-Flaschen ab – bis heute ein Novum auf der Welt.
Erst 2007 wurde der brasilianische Underberg nach einem langjährigen Rechtstreit in Brasilberg umgetauft. In den Stehkneipen von Rio de Janeiro trinkt man ihn pur auf Eis oder mischt ihn mit Coca-Cola. Rio Negro heißt die Brasilberg-Variante des Gin Tonic, und Brasil Libre ist eine Mischung aus Brasilberg, Coca-Cola, Pfefferminz und Limonen. „Ganz Verwegene setzen sogar Caipirinha mit Underberg an“, berichtete Jens Glüsing im Spiegel, denn sein Aroma nehme der Limone ihre Bitterkeit. Der neue Name setzte sich aber nie ganz durch, in Rio bestellt man weiterhin einen „Underbersche“, wenn man einen Brasilberg haben möchte.
Mit dem neuen Namen positionierte sich der brasilianische Underberg neu, um ein teureres Segment zu erobern und dem ebenfalls in Brasilien produzierten Bitter Campari Konkurrenz zu machen. Eine Flasche kostet nun umgerechnet etwa 13 Euro und der Brasilberg wird mittlerweile in sieben Länder, darunter auch Deutschland, exportiert.

Foto: Joakim Jardenberg (https://www.flickr.com/photos/50899567@N00/4442963885)

An die Firmengeschichte erinnert nur noch eine Straße im Stadtteil
Tijuca, an der die erste brasilianische Underberg-Fabrik lag: Zu Ehren des Gründers, der 1959 an Krebs gestorben ist, wurde sie nach ihm benannt. Allein das Gewese um die Rezeptur gleicht noch dem, das um Underberg gemacht wird. Angeblich wird sie von einem Mönch des Klosters Sao Bento bewahrt, der in Miguel Pereira, anderthalb Stunden von Rio de Janeiro entfernt, einmal im Monat verschiedene Amazonaskräuter zusammenrührt. Ähnlich hält man es auch in Deutschland, wo nur ein paar rheinländische Benediktinermönche und die Erben des Unternehmengründers die Underberg-Formel kennen. Dessen ungeachtet, lautet das Firmenmotto des Stammkonzerns aber auch weiterhin „Semper idem“ – Immer das Gleiche.

Auszug aus „Gastromania“ von Hollow Skai (217 Seiten, Euro 9,99), erhältlich in allen Online-Buchshops und Buchhandlungen oder bei www.bod.de

Aufmacher-Foto: Underberg 

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