Die Macht der Fleischbarone

Programmierter Rohrkrepierer

Die geplante Tierwohlabgabe der Landwirtschaftsministerin verändert weder die Massentierhaltung noch die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. 

Im Orwell-Jahr 1984 war die Welt noch einigermaßen in Ordnung. Damals gab es bundesweit noch kommunale Schlachthöfe, die den Steuerzahler zwar Geld kosteten, in denen sich aber weder der Rinderwahnsinn noch die Schweine- oder Vogelgrippe ausbreiten konnten. Erst der Fortschritt in Form moderner Kühl- und Transportsysteme brachte die Wende und etablierte eine Fleischindustrie, in der die zumeist ausländischen Leiharbeiter ebenso in Massenunterkünften zusammengepfercht werden wie das Schlachtvieh. Mit der Folge, dass industrielle Fleischprodukte immer billiger wurden, aber auch schlechter und die Bedingungen, unter denen im Akkord geschlachtet wird, immer ungesünder.

Wurden vor 25 Jahren noch eine Million Tonnen Schweinefleisch und 400.000 Tonnen Geflügelfleisch importiert, wird heute mehr als ein Drittel Fleisch vor der eigenen Haustür produziert. Und Deutschland wurde vom Groß-Importeur zum wichtigsten Fleisch-Exporteur in der Europäischen Union. Erst nachdem sich 1400 Mitarbeiter im Hauptwerk des Fleischbarons Tönnies, Deutschlands größtem Fleischwerk, mit dem Coronavirus infiziert hatten, rückten die unmenschlichen Arbeitsbedingungen jedoch in den Fokus und Geiz war plötzlich nicht mehr geil. Und an der von der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) geplanten Tierwohlabgabe von 40 Cent pro Kilo wollen sich sogar Discounter wie Aldi beteiligen – allerdings nur, wenn auch die Konkurrenz mitmacht und möglichst auf europäischer Ebene.

Auf diese Weise, so Anne Markwardt, die Lebensmittelexpertin der Verbraucherzentrale,  stehle Aldi sich aus der Affäre und schiebe die Verantwortung weiter. „Sie hätten schon lange am bestehenden System etwas ändern können“, klagte sie im Spiegel, der Discounter habe seine große Einkaufsmacht jedoch bislang nicht dafür genutzt, kostendeckende Preise für tiergerechte Haltungsformen durchzusetzen. Vielmehr setze der Wettbewerb um immer günstigere Fleischpreise Produzenten unter Druck, auch immer günstiger zu produzieren. Aussteller der Gastro Vision können ein Lied davon singen. Von Julia Klöckners Tierwohlabgabe hält Anne Markwardt deshalb nicht allzu viel: „Wir brauchen höhere gesetzliche Standards und eine effektive, betriebsgenaue Kontrolle der Tiergesundheit. Dann werden am Ende auch die Preise automatisch steigen.“ 

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